Expertentipps für KMU, die erstmals durch die Krise gehen

Weichen stellen – Bild von Daniel Kirsch

Unberechenbare Zeiten verlangen ein starkes Krisenmanagement. Viele Managemententscheidungen sind jetzt zu treffen. Besonders bei KMU, die erstmals durch die Krise gehen, ist häufig eine Schockstarre eingetreten. Sie fühlen sich bei der Suche nach Lösungen allein gelassen. Unternehmen, die jetzt den Blick nach vorne richten und Zukunft neu denken, haben bessere Chancen beim Re-start.  strategit fragt bei Mag. Brigitte Kosits, eine der beiden Partnerinnen von linchpin OG | Transforming for good nach, wie es Unternehmen gelingt, von der Schockstarre in den Veränderungsprozess zu kommen.

strategit: Bevor wir tiefer thematisch eintauchen, würde ich mich sehr freuen, wenn du uns etwas zu deiner Person und deinem Werdegang erzählst.

Kosits: Mein Berufsleben ist gekennzeichnet von Aufgaben als Verbinderin zwischen Organisationen und deren Dienstnehmer*innen. Nach vielen Jahren der Anstellung im HR Management bin ich seit 2005 selbstständig und nun auf der Unternehmensseite als Sparring Partnerin und HR Interim Managerin tätig sowie auf der Beschäftigtenseite als People Coach, Prozessgestalterin und Trainerin.

Unternehmer und die Bedeutung ihrer mentalen Stärke

strategit: Es macht den Eindruck, als ob sich zahlreiche Unternehmer in Schockstarre befinden. Dabei sollten schon jetzt wichtige Weichen für die Zukunft gestellt werden. Nicht selten entscheidet sich schon im Kopf, ob wir eher auf der Gewinner- oder Verliererseite stehen. Wie können Unternehmer ihre mentale Stärke entdecken und trainieren?

Kosits: Tatsächlich benötigen wir Zeit, um dramatische Ereignisse wie die Corona Krise und deren Auswirkungen zu begreifen – also im Kopf ordnen zu können. Wir brauchen Orientierung. Unternehmen, die Krisen schon erfolgreich bewältigt haben, können jetzt rascher reagieren. Sie haben aus dem Krisenmanagement der Vergangenheit, das durch klare Rollenverteilung, rasche Entscheidungsprozesse und vorausschauende Maßnahmen gekennzeichnet ist, bereits gelernt. Für alle Unternehmer*innen und Führungskräfte in KMU, die jetzt erstmals durch eine solche drastische Krise gehen, ist es wichtig zu erkennen, „ich bin nicht alleine.“

Daher lautet das Motto:

1. Bilde ein temporäres Team aus unterschiedlichen Expert*innen und nütze die Vielfalt der Gedanken und Ideen. „Krisen sind Chancen“.
2. Lege täglich geführte Abstimmungsmeetings fest, um alle im Boot zu haben. „Klarheit verhindert chaotischen Aktionismus“.
3. Informiere deine Mitarbeitenden regelmäßig und ausschließlich über gemeinsam getroffene Entscheidungen und zeige Perspektiven auf. „So simpel wie möglich, so umfassend wie notwendig“.

Entscheider brauchen Raum für Diskussionen und Ideen

strategit: Wichtige Fragen, die im operativen Gestaltungsspielraum des Unternehmens liegen, sollen nun im Führungs- und Expert*innenteam entschieden werden. Dafür braucht es Raum für Diskussionen und Ideenfindung. Welche Methoden eignen sich dafür im virtuellen Raum?

Kosits: Diskussionen sind im virtuellen Raum ohne Einschränkungen möglich. Oftmals erleben die Teilnehmer*innen diese sogar produktiver, da zum Beispiel auf Unterbrechungen verzichtet wird und Irritationen durch non-verbale Kommunikationssignale wegfallen. Das gute alte Brainstorming – gekennzeichnet durch „jeder Gedanke zählt“ – ist eine Methode, die vor allem für das Finden von Lösungen enorm wichtig ist. Innovation durch „Out of the box Denken“. Verwegen sein und dabei inspirierend sein für die Gesprächspartner*innen.
Raus aus der Bedrängnis heißt, die Gedanken der Vorredner mit den eigenen Gedanken durch ein UND zu verbinden anstatt mit einem ABER zu trennen.

Re-start – Nicht alles muss neu werden 

strategit: Unternehmen sind gefragt, sich heute mit der Zukunft zu beschäftigen, Ideen zu entwickeln, wie nach der Krise neu gestartet werden kann. Wie kannst du als Expertin, Unternehmen unterstützen, Perspektiven zu entwickeln? Wie gestaltest du beispielsweise den Prozess?

Kosits: Nicht alles muss neu werden, vieles soll aber weiterentwickelt oder ergänzt werden. Also eine zentrale Frage lautet, „was wollten wir schon längst umsetzen, hatten aber die Dringlichkeit nicht?“ – Stichwort Digitalisierung. Und „was wollten wir schon längst sein lassen, aber es hat uns vielleicht der Mut gefehlt“? – Stichwort Mikromanagement. Mein Prozess startet daher mit Anknüpfungen an Vorhandenem und schon längst Fälligem und wird durch Neues ergänzt. Daraus ergibt sich von selbst die Frage, ob die aktuelle unternehmerische Ausrichtung und die etablierten Werte so noch ausreichen oder ob es auf der Hand liegt, diese zu erneuern.

In virtuellen Meetings Zeit für Sorgen und Ängste einplanen

strategit: Trotz der oder gerade wegen der aktuellen Distanz zu den Mitarbeitenden braucht es einen guten Umgang mit deren Unsicherheiten und Sorgen. In welchem Rahmen oder Setting können im virtuellen Raum Ängste der Mitarbeitenden angesprochen und ausgeräumt werden?

Kosits: Wir alle wollen ernst genommen werden. Jede Frage, jede Sorge ist berechtigt. Und wir Menschen brauchen vor allem in Krisensituationen Perspektiven. Daher empfehle ich, den Mitarbeiter*innen ausreichend Zeit in aktuell virtuellen Meetings für Ihre Sorgen und Ängste einzuräumen. Auch da gilt: wir müssen nicht auf jede Frage eine Lösung parat haben. Allein darüber sprechen zu können, löst schon einigen Druck. Also gehen Sie am Beginn eines Meetings nicht sofort in den Informationsmodus sondern starten Sie mit der ehrlich gemeinten Frage:

• Wie geht es euch?
• Welche Hürden sind in eurem Alltag jetzt besonders zu nehmen?
• Wo braucht ihr Hilfe?

strategit: Abschließend noch eine Frage: Was macht dein Unternehmen besonders? Warum arbeiten Unternehmen gerne mit linchpin?

Kosits: Unser Unternehmensname linchpin, was so viel wie Stütze und Zusammenhalt bedeutet und unser Motto „Transforming for good“, also stetige Veränderung vereint all unsere Kompetenzen. Unsere Klient*innen spüren und erleben in all unseren Umsetzungen, dass wir stets das Mögliche im scheinbar Unmöglichen sehen und die Kraft der Veränderung für Erneuerung und persönliches sowie wirtschaftliches Wachstum positiv nützen.

Vielen Dank für deine Expertise und die Denkanstöße für die Zukunft – speziell für KMU, die erstmals durch die Krise gehen.